
Hochrechnungen zufolge erkranken pro Jahr bei uns 150.000 bis 180.000 Menschen daran, pro Jahr fordert sie etwa 60.000 Opfer. Damit ist die Sepsis für mehr Todesfälle verantwortlich als Herzinfarkte oder Lungen-, Brust- und Dickdarmkrebs zusammen. Wer die Blutvergiftung früh erkennt und überlebt, leidet oft noch jahrelang an schweren Beeinträchtigungen, körperlichen oder geistigen Einschränkungen, Depressionen oder krankhaftem Gewichtsverlust.
Komplizierte Eingriffe schwächen die Abwehr
Und es gibt immer mehr Sepsisfälle mit tödlichem Ausgang. Warum das so ist, begründet der Intensivmediziner Prof. Dr. Konrad Reinhart von der Universitätsklinik Jena im Gespräch mit dem BPI Pressedienst Arzneimittel mit der steigenden Lebenserwartung und der Zunahme von Begleiterkrankungen wie Diabetes oder chronischer Bronchitis. Der Experte, der sich seit Jahren für die Bekämpfung der Sepsis engagiert, nennt noch einen weiteren Aspekt für die Zunahme der Sepsisfälle: Immer mehr ältere Menschen würden sich immer komplizierteren medizinischen Behandlungen unterziehen, die dann teilweise das Immunsystem schwächen: „Und diese Schwächung des Immunsystems führt dann eben dazu, dass man anfälliger für Infektionen und damit auch für Sepsis wird.“
Ursachen der Blutvergiftung: Es beginnt mit einer harmlosen Infektion
Ursache einer Blutvergiftung ist immer eine Infektion, zum Beispiel einer Lungenentzündung, einer Harnwegsinfektion oder auch einer Infektion der Haut. Unter normalen Voraussetzungen kommt das Immunsystem mit solchen Infektionen klar, und diese bleiben lokal beschränkt. Ist der Patient aber geschwächt, können die Erreger über die Blutbahn, in seltenen Fällen auch über die Lymphgefäße, in den Kreislauf gelangen und befallen auch andere Organe. Die Abwehrkräfte starten einen Gegenangriff. Um die Eindringlinge zu zerstören, schütten die weißen Blutkörperchen massenhaft Bakterienkiller aus. Die Bakterien wiederum geben Giftstoffe und Stoffwechselprodukte ins Blut ab. Dieser Cocktail zerstört die Blutgefäße im Körper.
Symptome bei einer Blutvergiftung: Nach und nach versagen alle Organe
Nun tritt Flüssigkeit in den Körper aus. Dadurch sinkt der Blutdruck, die Blutgerinnung spielt verrückt. Um genügend Blut in den Kreislauf zu bekommen, pumpt das Herz wie wild. Doch es kommt gegen den Flüssigkeitsverlust und den niedrigen Blutdruck nicht an. Die Organe werden nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt, und ein Organ nach dem anderen fällt aus, meist beginnend mit der Niere, dem Darm, der Leber und der Lunge. Der Mensch stirbt.
Behandlung einer Blutvergiftung: Anzeichen früh erkennen
Um dem zuvorzukommen müssen Betroffene so schnell wie möglich behandelt werden. Die Krankheitserreger müssen bekämpft, der Krankheitsherd, wenn möglich, operativ entfernt, der Blutkreislauf stabilisiert werden, um nur einiges zu nennen. Behandelt wird meist zunächst mit einem sogenannten Breitbandantibiotikum. Das Problem: Vielen Bakterien ist das sozusagen ziemlich egal. Die Mittel machen ihnen nichts mehr aus, die Keime können sich darum ungehindert verbreiten. Bis die Ärzte anhand von Blutkulturen herausgefunden haben, welches spezifische Antibiotikum dann noch anschlagen könnte, vergeht viel Zeit. Zeit, den die Patienten nicht haben. Ein neuer Test könnte in Zukunft die Suche beschleunigen.
Sepsis wird oft nicht rechtzeitig erkannt
Viel wichtige Zeit vergeht aber oft auch, weil eine Blutvergiftun gar nicht erkannt wird. Dies gilt vor allem, wenn jemand zu Hause erkrankt – bei immerhin rund einem Drittel der Betroffenen entwickelt sich eine Sepsis außerhalb von Kliniken. Das Schwierige: Die Beschwerden, mit denen sie sich ankündigt, können auch von vielen anderen Krankheiten herrühren. Menschen, die einen fieberhaften Infekt haben und deren Zustand sich innerhalb weniger Stunden stark verschlechtert, sollten darum so schnell wie möglich ins Krankenhaus.
Viele kennen die Anzeichen einer Blutvergiftung gar nicht
Während viele Menschen wissen, woran man einen Herzinfarkt erkennt, sind die Anzeichen einer Sepsis leider weitgehend unbekannt – sogar bei Fachleuten. Die Krankheit müsse in der Ausbildung von Ärzten und Pflegepersonal eine größere Rolle spielen, so Prof. Reinhart. Zu häufig würden typische Symptome, wie zum Beispiel Verwirrtheit, falsch gedeutet.
Um die Gefahr fürs eigene Leben zu verringern, können wir auch selbst etwas tun. „Man muss aber auch wissen, dass man sich gegen gewisse Sepsis-Erreger impfen lassen kann, zum Beispiel gegen Pneumokokken, die die Lungenentzündung auslösen, oder auch gegen Erreger, die Hirnhautentzündung auslösen, oder man kann sich auch gegen Grippe, die ja auch gar nicht so selten in eine Sepsis übergeht, impfen lassen und sollte sich auch impfen lassen“, lautet der Ratschlag jvon Prof. Reinhart.