
Trennungsfamilien: Kind will beim Vater leben
Als Mutter will man nur, dass es seinem Kind gut geht, das es gesund und glücklich ist. Auch wenn das heißt, dass es lieber nicht mehr bei einem wohnen will? Die Frage, ob zu Mama oder zu Papa nach der Trennung stellte sich bis vor ein paar Jahren eher selten. Doch heute möchten immer mehr Kinder zum Vater, und immer mehr Väter fordern das Recht ein, für ihr Kind mehr als nur eine Alle-zwei-Wochen- das-Wochenende-Lösung zu sein. Aber was bedeutet das für eine Mutter, wenn der Papa eine größere Bedeutung bekommt und sie nicht mehr täglich für ihr Kind da sein darf? Mütter haben doch nicht versagt, nur weil ihr Kind jetzt beim Vater leben will. Und doch fühlt es sich für viele Frauen wohl genau so an – als wären sie gescheitert. Aber warum können manche Mütter nur schwer akzeptieren, dass Kinder auch bei ihren Vätern sein wollen – schließlich sind diese ja auch Eltern! Hegen viele Mütter unbewusst eine Art Besitzanspruch auf ihre Kinder – oder gönnen sie den Vätern manchmal nicht ein bisschen mehr Familienglück, wenn sie sich von ihm verletzt fühlen? Kann man überhaupt objektiv sein?
Barbara (45) aus Recklinghausen: „Ich habe Angst, Moritz ganz zu verlieren“
„Er war gerade 15 geworden, als er mit einer Reisetasche und einem großen Koffer vor mir stand. Ich war so geschockt, dass ich auf sein
Ich zieh zu Papa
nichts erwidern konnte. Wenige Minuten später holte mein Ex-Mann unseren Sohn ab – und weg war er.
Ein paar Tage brauchte ich für mich, bevor ich Moritz das erste Mal anrief. Als ich seine Stimme hörte, musste ich sofort losheulen. Ich fragte ihn, was ich falsch gemacht hätte. Eine vernünftige Antwort bekam ich nicht. Wie auch? Von einem pubertierenden Jugendlichen, der versuchte, den einfachsten Weg zu gehen.
Und irgendwie konnte ich ihn ja auch verstehen: Sein Vater und ich hatten uns nach 13 gemeinsamen Jahren vor vier Jahren getrennt. Für meinen Ex Hannes und mich war schnell klar: Tochter Alice (11) und Sohn Moritz sollen bei mir wohnen. Alle zwei Wochen verbrachten sie das Wochenende bei ihrem Vater. Das klappte anfangs ganz gut, doch allmählich merkte ich, dass Moritz nach diesen zwei Tagen immer sehr launisch war. Bei Papa durfte er einfach mehr. Aber ich wollte ihm doch nichts Böses, fand nur, dass Kinder sich an bestimmte Regeln halten müssen. Sein Auszug liegt jetzt schon fast ein ganzes Jahr zurück. Und nun bin ich es, die Moritz nur noch alle zwei Wochen sieht. Und selbst dann wirkt er abwesend. Ich hoffe, dass ich meinen Sohn nicht verliere. Er fehlt mir so sehr."
Tatjana (31) aus Wilhelmshaven: „Unser 50-50-Modell klappt ganz gut“
„Neulich habe ich eine Bekannte beim Einkaufen getroffen. Wir standen noch kurz zusammen, da kam mein Sohn vorbei. Er begrüßte mich, wir umarmten uns. Dann erzählte er, was er heute noch vorhabe. Ich hörte aufmerksam zu. Nach ein paar Minuten verabschiedeten wir uns dann wieder. Meine Bekannte fragte sofort: Wieso weißt du denn nicht, was dein Kind macht? Ja, gute Frage. Warum weiß eine Mutter nicht, was ihr Kind macht? Ganz einfach, weil mein Samuel in dieser Woche bei seinem Vater Bruno lebt.
Bruno und ich sind zusammengekommen, da waren wir beide noch relativ jung. Mit 24 bin ich schwanger geworden. Zugegeben, es war nicht der perfekte Zeitpunkt, aber die Entscheidung für unseren Sohn war sofort gefallen. Mein Freund war noch Student, ich verdiente als Fachverkäuferin auch nicht gerade viel. Aber irgendwie haben wir es gemanagt. Doch nach vier Jahren haben wir uns auseinandergelebt. Wir trennten uns. Aber für uns beide war klar: Keiner soll auf die Zeit mit unserem Sohn verzichten müssen. So teilten wir uns das Sorgerecht 50/50. Was soll ich sagen: Seit fast zwei Jahren funktioniert das. Trotzdem bricht es mir jedes Mal das Herz, wenn ich Samuel nach einer Woche wieder zu Bruno bringe. Ich fühle mich einfach nicht als ganze Mutter."
Wie kann man mit der Situation umgehen?
Zunächst ist es entscheidend, herauszufinden, warum das Kind lieber beim Vater leben will. Ist es zum Beispiel gerade in der Pubertät und möchte sich von der Mutter abgrenzen? Wird das Kind in der Schule gemobbt und zieht vielleicht deshalb vor, beim Papa zu wohnen? Es können viele Gründe dahinter stecken, Kommunikation ist daher ganz wichtig. Auch könnte ein Probewohnen beim Vater, etwa in den Ferien, dem Kind einen Eindruck vermitteln, wie es wäre, beim Papa zu leben. Die Situation ist für alle Beteiligten schwierig. Trotzdem sollten die Elternteile miteinander kommunizieren, denn am Ende geht es vor allem darum, im Interesse des Kindes zu handeln. Das Kind sollte sich wohlfühlen und nicht etwa zum Spielball im Streit seiner Eltern werden.
Darf das Kind entscheiden, wo es leben möchte?
Zum Aufenthaltsbestimmungsrecht und Wunsch des Kindes gelten grundsätzlich folgende Regeln:
- Bei der Frage, wo das Kind künftig nach einer Trennung leben soll, gilt beim gemeinsamen Sorgerecht das Aufenthaltsbestimmungsrecht.
- Laut Gesetz darf ein Kind erst mit dem vollendeten 18. Lebensjahr entscheiden, wo es leben möchte – dann auch gegen den Willen der Eltern.
- Ein Elternteil hat jederzeit die Möglichkeit, das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht zu beantragen. Dann werden die Kinder auf Grundlage von Paragraf 159 des Familienverfahrensgesetz (FamFG) angehört. Mit dem 14. Geburtstag muss die Anhörung nach Paragraf 159 FamFG grundsätzlich erfolgen.
- Grundlage der richterlichen Entscheidung zum alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrecht soll stets das Kindeswohl sein und nicht die Interessen der Eltern.
- Geht es ums Umgangsrecht, kann der Wunsch des Kindes bereits ab dem 12. Lebensjahr berücksichtigt werden.
Quellen und mehr Informationen zum Aufenthaltsbestimmungsrecht auf Scheidung.de, Anwaltsauskunft.de und Netpapa.de.
Geteiltes Sorgerecht: Welche Rechte und Pflichten haben Mütter und Väter?
Beim geteilten Sorgerecht haben Eltern Rechte und Pflichten, die sie stets gemeinsam ausüben. Ob ein Elternteil Entscheidungen alleine treffen darf, hängt davon ab, ob es sich um Angelegenheiten des täglichen Lebens oder von besonderer Bedeutung handelt. Das umfasst Entscheidungen, die nicht endgültig sind, zudem sind sie zeitlich überschaubar. Bei folgenden Themen kann ein Elternteil beispielsweise alleine entscheiden:
- Essen/Ernährung
- Bekleidung
- Alltag in der Schule
- Taschengeld
- Fernseh- und Handyzeiten
- Schlafenszeiten
- Medizinische Versorgung im täglichen Bereich, bsp. Zahnarztbesuch oder kleinere Behandlungen
Alle Entscheidungen, die darüber hinausgehen, müssen von den Eltern gemeinsam getroffen werden. Zu den Entscheidungen von besonderer Bedeutung gehören beispielsweise
- Umzug in eine andere Stadt
- Berufswahl/Berufsausbildung
- Religionszugehörigkeit
- Vermögensverwaltung
- Größere medizinische Eingriffe
Quelle: Advocado.de
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