Jans Geständnis: „Claudia, ich bin schwul“
Die Szene erinnerte mich an einen richtig schlechten Film: Ich hatte Jan gerade einen Flanell-Schlafanzug in die Hand gedrückt, den ich ihm gekauft hatte. Ich wusste, er mag den Stoff. Und er nahm diesen blöden Schlafanzug und outete sich: „Claudia, ich bin schwul.“ Mein erster Gedanke: Ich tu jetzt mal so, als ob ich nichts gehört habe, und frage meinen Ehemann einfach, ob er auch einen Kaffee möchte. Aber mit der Nummer kam ich nicht sehr weit – verständlich.
Trotzdem, ich konnte kaum denken in dem Moment. Es war ein Schock. Und doch – hatte ich nicht schon lange etwas geahnt? Es folgte ein Gespräch, bei dem ich immer wieder wegzoomte, so als wäre ich gar nicht betroffen, und diese andere Frau, die ich war, immer wieder eine Frage stellen hörte: „War denn alles nur ein großes Theater? 14 Jahre Ehe, zwei Kinder?“ Jan war ruhig, geradezu erleichtert, er redete mit Engelszungen auf mich ein, dass alles toll gewesen sei. Glauben konnte ich ihm nicht.
Jan sagte, dass er einen Freund habe, schon länger. Dass er jetzt zu ihm ziehen würde und eine Beziehung mit ihm führen will. Ich war wie gelähmt, konnte nur nicken. In den nächsten Tagen sickerte die Wahrheit immer mehr in mein Bewusstsein und mit ihr die quälenden Fragen. Hatte er den Sex mit mir ekelig gefunden? Hatte ich etwas an mir, das ihn zu den Männern getrieben hatte? War alles, alles Lüge? Hat er schon immer diese Neigung gehabt? Wie lange führte er dieses bisexuelle Doppelleben schon? Ich hatte mit Jan mein Leben verbringen wollen. Jetzt war er weg. Und es gab keine Chance, ihn zurückzuerobern.
„Auch für Jan war es eine schwere Zeit, aber das verstand ich erst später“
Endlich war es raus – Jan war wie befreit
Jan dagegen war wie befreit, happy, voll Energie. Zwei Wochen später entdeckte ich auf Facebook ein Foto von ihm und seinem Geliebten. Mir drehte sich der Magen um. Von da an gab es fast tägliche Posts, Jan und Frank im Café, im Urlaub. Ich kenne Jan, und ich weiß, er wollte mich damit nicht verletzen. Aber es tat trotzdem weh. Und wie. Unsere Freunde, Bekannten und Nachbarn reagierten sehr unterschiedlich. Einige machten einen Bogen um mich. Andere, die ich nur flüchtig kannte, sprachen mich direkt drauf an. Ein Schwuler aus unserem Freundeskreis sagte: „Na endlich!“ Da wurde ich stutzig. Hatten es alle gewusst, nur ich nicht?
Unsere Kinder gingen mit dem Thema lässiger um als ich. Als Jan den beiden alles erzählt hatte, sagte unser 14-Jähriger: „Ja, okay, cool.“ Die 12-Jährige wirkte erst etwas geschockt, gewöhnte sich aber an die Situation, als sie merkte, dass Jan sich weiter viel um sie kümmerte. Irgendwann kamen sie von einem Vater-Wochenende und sagten: „Der Frank ist echt total nett.“ Da fasste ich mir ein Herz und verabredete mich mit Jan. Ich sagte ihm, wie sehr mich das alles verletzte und dass ich so viele Fragen hätte. Auch er hatte eine schwere Zeit durchgemacht, alles war neu, und er quälte sich oft, das sah man ihm an.
Heute – drei Jahre später – akzeptiere ich Jans Entscheidung und die einhergehende Trennung. Meine Selbstzweifel habe ich hinter mir gelassen und stelle mir keine Fragen mehr. Es geht voran. Ich hatte sogar schon wieder ein paar Dates.
Heimlich Schwul: Tipps und Infos zum Thema
Eric Hegmann arbeitet in eigener Praxis als Single- und Paarberater, unter anderem für das Portal Parship. Nach vielen Jahren Ehe gesteht der Mann, dass er schwul ist. Damit ist die Lebensplanung komplett über den Haufen geworden. Und wie geht man damit um? Der Experte beantwortet Fragen.
Was hält Männer in einer Ehe, obwohl sie homosexuell sind?
„Vorab: Es gibt keine harte Grenze zwischen Hetero-, Bi- und Homosexualität. Ein Ergebnis einer Studie zeigte, dass sich gut zehn Prozent der befragten Männer als heterosexuell bezeichneten, aber in den vergangenen 12 Monaten überwiegend Sex mit Männern hatten. Viele versuchen aus Sorge vor unangenehmen Reaktionen, über einen längeren Zeitraum ihre Sexualität zu unterdrücken, vielen ist sie auch zunächst erst gar nicht bewusst. Eine Ehe kann deshalb eine Art Beweis darstellen, dass man ja nicht homosexuell ist.“
Müsste man das als Ehefrau nicht eigentlich früher erkennen?
„Das ist wohl vor allem vom Partner abhängig. Wenn dieser sonst liebevoll und fürsorglich ist und das Sexleben befriedigend: Weshalb sollte die Ehefrau etwas vermuten? Im Nachhinein mögen typische Verdrängungsverhaltens- weisen wie erhöhter Alkoholkonsum, depressive Phasen oder Stimmungsschwankungen Indizien darstellen, doch das können auch Ergebnisse anderer Stresseinflüsse sein. Die Partnerin wird sich sicher fragen: „Was stimmt nicht mit mir, dass ich das nicht gemerkt habe? Was hat in unserer Ehe nicht funktioniert, dass er nicht mit mir darüber gesprochen hat?“
Und wie geht man am besten mit dem Coming-out um?
„Auf der einen Seite ist hier die Partnerin, deren gesamte Lebensplanung verändert wurde. Und auf der anderen Seite jemand, der sich in einer höchst schwierigen Phase der Selbstfindung behaupten muss, beispielsweise steigt die Suizidrate während der Coming-out-Phase um ein Vielfaches. In einer solchen Situation sollte das Paar sich externe Unterstützung suchen, auch um gegenseitige Verletzungen zu vermeiden oder sie zumindest zu reduzieren.“