Weibliche Ejakulation: Was passiert, wenn Frauen ejakulieren?

Weibliche Ejakulation: Was passiert, wenn Frauen ejakulieren?

Es geht ein Gerücht um. Dieses Gerücht ist besorgniserregend. Und außerdem verwirrt es mich. Denn es besagt, dass beim Squirting, also wenn Frauen stark erregt sind, nicht irgendeine Flüssigkeit aus der Frau heraus komme. Nein, es handele sich dabei schlicht und einfach um Urin. Weibliche Ejakulation – was ist dran?

Was passiert, wenn Frauen ejakulieren?© iStock
Anja Drews über das Phänomen „Weibliche Ejakulation"

Igitt, mag jetzt mancher Leser denken, wenn ich das vorher gewusst hätte. Wenn Frauen ejakulieren, kommt da also nur Urin heraus? Das Gerücht geht aber noch weiter: Weibliche Ejakulation und Squirting seien gar nicht dasselbe! Jetzt bin ich wirklich durcheinander. Wenn nur ein bisschen herauskommt und das milchig ist, dann sei das das Ejakulat, wenn mehr herauskommt, dann sei das Urin. Habe ich das jetzt richtig verstanden? Ab welcher Flüssigkeitsmenge müssen wir denn nun auf unser Bettzeug aufpassen? Und wer hat das nun eigentlich wieder behauptet und was fangen wir mit dieser Erkenntnis an?

Was ist Squirting überhaupt?

Squirting bezeichnet ein bestimmtes Phänomen kurz vor oder während des Höhepunkts. Und zwar sondern Frauen, die squirten, bei starker Erregung stoßweise Flüssigkeit ab. Dabei handelt es sich beim Lusterlebnis nicht um den Orgasmus! Es kann aber beides gleichzeitig stattfinden. Was dagegen aber mit dem Oragsmus zusammenhängt, ist die weibliche Ejakulation – die übrigens NICHT dasselbe ist, wie das Squirten. Bei der weiblichen Ejakulation wird eine weißliche, dickliche Flüssigkeit abgesondert. Diese Flüssigkeitsabsonderung ist allerdings meistens so gering, dass sie kaum bemerkt wird bzw. die Scheide gar nicht richtig verlässt. Dahingegen wird beim Squirten oft eine größere Menge an Flüssigkeit freigesetzt. Diese tritt dann stoßweise aus und ist in der Regel klar und flüssig. Doch was ist das für eine Flüssigkeit? Etwa Urin? So lauten zumindest die Gerüchte... Studien sollen sich zumindest widersprechen: Die einen sagen es ist Urin, die anderen, es ist nur zu einem geringen Anteil Urin enthalten. Die Gelehrten streiten sich also.

Wissenschaft ist nicht immer das Maß aller Dinge

Bevor dieses Gerücht nun endgültig die Lust und den Höhepunkt vertreibt, möchte ich ein paar Dinge klar stellen. Französische Wissenschaftler haben eine Studie zur weiblichen Ejakulation durchgeführt. Und auch wenn die Ergebnisse im Dezember 2014 im ehrwürdigen Journal of Sexual Medicine veröffentlicht wurden, so haben die Wissenschaftler am Ende doch nur sieben Frauen untersucht. Sieben. Und hier soll sich der Unterschied in den Flüssigkeiten ergeben haben. „Die Daten, die wir während der Ultraschalluntersuchungen der Blase und in biochemischen Analysen gesammelt haben, weisen darauf hin, dass es sich bei der weiblichen Ejakulation um die unwillkürliche Absonderung von Urin während sexueller Aktivität handelt, obwohl in der Flüssigkeit auch ein marginaler Anteil von Prostatasekreten festgestellt werden kann." Hört sich nicht sehr erotisch an.

Studien belegen, die Flüssigkeit ähnelt dem männlichen Ejakulat

Aber keine Panik. Es gibt auch Studien, die belegen, dass diese Flüssigkeit Ähnlichkeit mit dem männlichen Ejakulat hat, nur ohne Spermien, und somit kein Urin enthält. Die Ähnlichkeit der Flüssigkeiten wird damit erklärt, dass sich rund um die Harnröhre der Frau schwammartiges Gewebe befindet, das sich auch in der Prostata des Mannes findet. Bei uns werden sie als „paraurethrale Drüsen“ bezeichnet. Sie liegen in dem Bereich, den wir als G-Punkt oder G-Zone bezeichnen und dessen Stimulation wie auch bei der Prostata Lustgefühle hervorrufen kann. In der Prostata wird die Flüssigkeit produziert, die zusammen mit den Spermien das Ejakulat des Mannes bildet. Und da ist kein Pipi drin. Allerhöchstens winzige Spuren vom letzten Toilettengang. Denn das Ejakulat nimmt beim Orgasmus ja den Weg durch die Harnröhre. Wenn es allerdings aus irgendwelchen Gründen nicht herauskommen kann, fließt es zurück in die Blase. Und dann wird es zusammen mit dem Urin heraus gepinkelt. Auch bei uns Frauen kann sich das Gewebe um die Harnröhre herum mit Flüssigkeit füllen und mit der richtigen Stimulation wie beim Mann herausschießen. Kann, muss aber nicht. Und diese Erklärung gefällt mir wesentlich besser als die französische.

Urin oder Prostatasekret?

Ist es denn nun Urin oder Prostataexkret, was da herauskommt, wenn Frauen ejakulieren? Ehrlich, ich weiß es nicht. Wie so oft führen auch hier verschiedene Studien zu unterschiedlichen Ergebnissen. Ich gehe aber davon aus, dass alle Frauen, die squirten können, es gemerkt hätten, wenn größere Mengen Urin aus ihnen heraus gekommen wären. Urin ist in aller Regel nicht farblos und auch nicht geruchlos. Und er schießt auch nicht im hohen Bogen aus uns heraus. Aber es ist schon spannend, wie schwierig es ist, die weibliche Sexualität zu erforschen. Gibt es einen vaginalen Orgasmus oder kommt alles von der Klitoris? Gibt es den G-Punkt oder gibt es ihn nicht? Ist der Muttermund sexuell empfindsam oder nicht? Warum bekommen wir überhaupt einen Orgasmus? Die Liste der Fragen ist endlos.

Weibliches Abspritzen: Was ist das Faszinierende daran?

Interessant finde ich auch, dass Squirting auf der Liste der meistgesuchten Pornobegriffe auf Platz 7 steht. Es scheint doch eine große Faszination vor allem auf die Männer auszuüben, wenn Frauen abspritzen. Vielleicht die Spritzflüssigkeit für Männer der scheinbar sichtbare Beweis dafür, dass eine Frau Lust hat. Und einen Orgasmus! Denn wenn das Squirten unmittelbar mit einem Orgasmus zusammenhinge, dann hätte das Rätselraten endlich ein Ende. Hat es ihr gefallen oder hat sie nur vorgetäuscht? Nein, hier gäbe es endlich Klarheit. Aber darum geht es ja gar nicht! Sex kann auch ohne Orgasmus toll sein. Denn es geht nicht nur um die körperliche Sensation, sondern vor allem auch um die Nähe und Verbundenheit, die wir dabei spüren. Deswegen kann Sex anderseits auch trotz Orgasmus unbefriedigend sein. Denn Frauen können tatsächlich auch ohne die große Aufregung kommen. Das wissen vor allem diejenigen, die gute Vibratoren haben. Und außerdem hängt Squirten und Orgasmus bei Frauen nicht zusammen. Beides geht auch getrennt voneinander. Der Orgasmus-Beweis gilt also nicht.

Kann jede Frau squirten?

Die körperliche Voraussetzung für das stoßweise Absondern von Flüssigkeit besitzt jede Frau. Aber nur wenige Frauen squirten tatsächlich. Wie schon gesagt, ist das Thema bisher noch nicht besonders ausführlich und repräsentativ erforscht. Angenommen wird aber, dass Frauen es zumindest trainieren können. Da das Sekret von der Prostata stammen soll, hilft es, diese zu stimulieren. Die weibliche Prostata liegt in etwa dort, wo sich auch der G-Punkt befinden soll. Im Inneren der Scheide in Richtung Bauchdecke.

Fest steht: Der Kopf muss frei sein! Nur, wer sich wirklich entspannt und nicht krampfhaft auf etwas hinarbeitet, kann das Squirten auch erreichen. Probieren Sie es gerne mal aus. Der G-Punkt und die Klitoris sollten gleichzeitig stimuliert werden. Ob mit den Händen, einem Vibrator oder dem Partner ist reine Geschmackssache. Für mehr oder überhaupt Lustgewinn eignet sich übrigens eine trainierte Beckenbodenmuskelatur. Durch die Entspannung können tatsächlich Super-Orgasmen erlebt werden – allerdings kann man nicht sagen, dass durch das Squirten Orgasmen intensiver sind. Es hängt einfach alles miteinander zusammen und lässt sich nicht einfach in “wenn dann“-Gleichungen unterteilen.

Frauen, die squirten, berichten davon, dass es sich kurz vorher so anfühlt, als würde man auf Toilette müssen. Diesem Druck im Unterbauch einfach nachgeben und in Kauf nehmen, dass das Bettlaken nass wird. Aber bitte nicht zu viel erwarten: Viele Frauen versuchen es jahrelang und erreichen nur ein paar Tropfen Flüssigkeit.

Warum ejakulieren Frauen überhaupt?

Experten diskutieren noch die Bedeutung der weiblichen Ejakulation – zum einen soll sie den Zweck haben, die Schleimhäute im Intimbereich zu befeuchten. Das erhöht die Gleitfähigkeit beim Sex. Zum anderen sollen die Sekrete das saure Milieu in der Scheide neutralisieren und das Überleben der Spermien sichern. Die im Ejakulat befindliche Glukose soll den Spermien zudem als eine Art Wegzehrung und Kraftfutter auf dem Weg in die Eizelle dienen. Na dann, gute Reise!

Orgasmus ohne Ejakulation: Macht das krank – oder ist Frau krank?

Tatsächlich versuchen manche Frauen, einen Orgasmus zu unterdrücken, weil ihnen das weibliche weibliches Ejakulat gegenüber dem Partner peinlich ist. Davon einmal abgesehen, dass es dafür überhaupt keinen Grund gibt, ejakuliert einfach nicht jede Frau – nur rund zwei Drittel aller Frauen besitzen sogenannte Paraurethraldrüsen (auch Skene-Drüsen genannt, die das Ejakulat absondern). Die Häufigkeit der weiblichen Ejakulation soll daher nur zwischen 10 und 54 Prozent liegen! Weil die Sekretabsonderung somit kein fester Bestandteil des weiblichen Orgasmus ist, hat eine Nicht-Ejakulation in der Regel keinen Krankheitswert.

Man muss nicht immer alles ganz genau wissen

Manchmal wünsche ich mir die Zeiten zurück, in denen wir einfach auf unsere Gefühle vertrauen durften. Die Zeiten, in denen nicht jede Kleinigkeit erforscht und auseinander genommen wurde. Zeiten, in denen es noch Tabus gab, die man brechen konnte und die den Sex damit auch spannend gemacht haben. Und ich will auch gar nicht wissen, was da alles so ganz genau aus uns heraus kommt. Wenn es Spaß macht, ist es doch gut. Und wenn es keinen Spaß macht, dann lassen wir es doch einfach. Das sportive Herausschießen von Flüssigkeiten im Stil der Pornos sieht für mich jedenfalls nicht nach Lust aus. Darauf können wir zu Hause sicherlich verzichten. Man kann es einmal ausprobieren wie ein exotisches Gewürz. Aber viele Frauen, mit denen ich spreche, sind ohnehin nicht scharf darauf, ihre Bettwäsche großflächig damit zu tränken. Und die, denen es Spaß macht, können ja einfach damit weitermachen. Letztendlich hat sich nichts geändert, was auch immer da heraus kommt.

Anja Drews – Sexualwissenschaftlerin für ORION

Datum: 23.07.2020

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