
Ein halbes Jahr unter Strom
Mutter und allein zu sein ist vor allem eins: wahnsinnig anstrengend. Meine Tochter ist fast sechs Jahre alt, als wir in unsere neue Wohnung ziehen. Kein Alter, um sie allein zu Hause zu lassen. Schritt eins: Kindergartenplatz mit Nachmittagsbetreuung und Babysitter suchen und finden. Ich bin freiberuflich tätig und muss ab und an auch abends unterwegs sein. Verwandte haben wir hier nicht, Freundschaften bauen sich in der neuen Stadt erst langsam auf, der Vater ist höchstens jedes zweite Wochenende präsent. Das erste halbe Jahr stehe ich wie unter Strom. Ich darf nicht vergessen, meinem Kind das Butterbrot mitzugeben, sein Shirt darf nicht dreckig sein, sonst denken die Erzieherinnen noch, jetzt verwahrlost das arme Kind – weil Mama ihre Ehe nicht hingekriegt hat.
Nur ganz langsam legen sich solche Vorstellungen. Abends fühle ich mich wie in einem Gefängnis. Ich kann nicht kurz noch mal was einkaufen, Freunde treffe ich nur selten. Dazu kommt, dass ich die Trennung verarbeiten muss – und die vielen Schuldzuweisungen, die per SMS kommen: „Du hast mein Leben und das deiner Tochter zerstört! Na, wie lebt es sich mit der Schuld?“ Aber egal, was der Papa macht: Als Mutter redet man für die Kleine alles schön. Nur einem selbst dreht sich der Magen um. Dazu die Angst: Kommt meine Tochter mit alle dem klar? Wie bringe ich uns finanziell durch?
Wichtige Hilfe von Nachbarn und Freunden
Ich bin mit allem allein und muss doch für mein Kind funktionieren. Also alleinerziehend plus arbeiten, Haushalt, Erziehung, Einschulung, Behördengänge. Nach einem Jahr klappe ich zusammen, sitze beim Arzt und weine. Ich melde mich arbeitslos und versuche, mehrere Gänge runterzuschalten, ohne dass mein Kind etwas davon mitbekommt. Das funktioniert erstaunlicherweise. Und es geht langsam, aber sicher bergauf.
Bislang war ich der Typ, der alles selbst schaffen wollte. Mein Tipp für Alleinerziehende: Nehmt Hilfe an! Mein Nachbar mäht den Rasen. Ein Freund repariert Kleinigkeiten. Dazu habe ich wunderbare Freundinnen gefunden, die im Notfall mein Kind von der Schule abholen. Manchmal bin ich so gerührt über so viel Hilfsbereitschaft, dass mir die Tränen kommen. Und mein Kind wird natürlich immer größer. Heute geht sie das erste Mal allein von der Schule nach Hause. Ich bin so stolz.
Alleinziehend: Die wichtigsten Tipps
1,6 Millionen Alleinerziehende gibt es in Deutschland. Die müssen sich nicht nur durch ein Gefühls-Chaos kämpfen, sondern auch durch eine Menge Bürokratie:
1. Wie beantrage ich das Sorgerecht fürs Kind?
Verheiratete haben automatisch das gemeinsame Sorgerecht. Sind Sie mit dem Kindesvater nicht verheiratet, liegt das Sorgerecht bei Ihnen. Das muss nicht extra beantragt werden. Für das gemeinsame Kind gilt auch: Das Kindergeld wird geteilt. Rechnen Sie als Alleinerziehende also nicht mit der kompletten Summe.
2. Alleinerziehend: Finanzen fürs neue Leben?
Nach dem Auszug und bis zur Scheidung steht Ihnen der Trennungsunterhalt zu. Es wird die Differenz der Nettoeinkommen nach allen Abzügen genommen und pro Partner 1/7 abgezogen. Vom verbleibenden Rest erhält der geringer Verdienende die Hälfte. Dazu kommt der Kindesunterhalt.
3. Wie bekomme ich Unterhalt vom Ex?
Wenn die Trennung auf einer guten, kommunikativen Basis verlaufen ist, können Sie mit Ihrem Ehemann den Unterhalt absprechen. Überschlagen Sie vorher, wie viel Sie zum Leben brauchen: Miete, Strom, Versicherungen, Telefon, Kleidung, Lebensmittel und mehr. Ist er nicht gesprächsbereit, wenden Sie sich an das Jugendamt oder einen Anwalt. Bis zur Klärung können Sie durch Sozialhilfe unterstützt werden.
4. Bekomme ich Geld für die Kinderbetreuung?
Ja, bekommen Sie. Die Formulare für den Antrag auf Ermäßigungen oder Befreiung von der Gebühr gibt es auf den Internetseiten der Stadt oder in den Rathäusern. Das Essen in der Übermittagbetreuung muss man aber in den meisten Fällen selbst zahlen.
5. Eine Vereinbarung zur Scheidung – was ist das?
Man kann sich im Vorfeld der Scheidung mit dem Noch-Partner über alle erdenklichen Punkte einigen. Über Unterhaltszahlungen, den Versorgungsausgleich, die Überschreibung von Häusern, Wohnungen und vieles mehr. Allerdings sollten Sie die Scheidungsfolgevereinbarung von einem Anwalt prüfen lassen, bevor Sie unterschreiben. Sind beide Parteien einverstanden, wird sie von einem Notar beurkundet. Das Gerichtsverfahren ist dann nur noch reine Formsache.
6. Wie leiste ich mir ein Scheidungsverfahren?
Für Geringverdiener gibt es die Prozesskostenhilfe. Beim Gericht oder bei Anwälten gibt es dazu vorgefertigte Formulare. Angeben muss man die kompletten Vermögensverhältnisse und die regelmäßigen Einnahmen und Ausgaben. Das Gericht entscheidet dann, ob die Hilfe gewährt wird. Sollten Sie allerdings irgendwann gut oder besser verdienen, müssen Sie das bei Gericht angeben. Zehn Jahre fragt es nach, ob höhere Einkünfte vorhanden sind, und kann das Geld wieder einfordern.
7. Wie erreiche ich eine Betreuungsregelung?
Am allerbesten ist es, sich mit dem Vater abzusprechen, wie eine solche Regelung aussehen kann. Im Mittelpunkt sollte dabei immer das Kindeswohl stehen. Das ist auch im Bürgerlichen Gesetzbuch festgeschrieben. Wenn sich der Vater allerdings weigert, das Kind zu sehen, wird es schwierig. Zwangsmaßnahmen gehen höchstens zu Lasten des Kindes.
8. Was passiert, wenn ich mal krank werde?
Das ist wohl der schlimmste Fall für Alleinerziehende. Natürlich sollte dann der Vater einspringen. Tut er das nicht, können Sie bei der Krankenkasse eine Haushaltshilfe beantragen.
9. Wie erkläre ich meinem Kind die neue Situation?
Die Gründe für ein Ehe-Aus sind für kleinere Kinder viel zu komplex. Allerdings sollte man ihnen sehr deutlich machen, dass die Trennung endgültig ist und es kein Zurück gibt. Nehmen Sie sich viel Zeit und beantworten Sie alle Fragen der Kinder ganz offen.
10. Wie schaffe ich mir meine Freiräume?
Als Alleinerziehende überfordert sein – das kann schnell passieren! Versuchen Sie daher, sich Freiräume zu schaffen. Sollten Familienangehörige in der Nähe wohnen, geben Sie Ihr Kind ab und an dorthin. Lassen Sie Ihr Kind bei Freunden spielen und übernachten. Manchmal reicht es, für nur eine Stunde einen Babysitter zu engagieren – auch wenn Sie in dieser Zeit nichts machen.
Alleinziehende: Tipps in Büchern
Stark sein: Hier gibt es Tipps für den Umgang mit den eigenen Gefühlen, um mit der enormen Belastung besser klarzukommen. „Stark und Alleinerziehend: Wie du der Erschöpfung entkommst und mutig neue Wege gehst“ von Dr. Alexandra Widmer 19,99 Euro, Kösel-Verlag.
Schwachstellen: Gesellschaft und Politik lassen Mütter nach der Trennung in vielen Situationen im Regen stehen. Das Buch benennt, was sich unbedingt ändern muss. „Allein, alleiner, alleinerziehend“ von Christine Finke. 14,99 Euro, Bastei Lübbe.
Beispiel-Familien: Wie gehen eigentlich andere mit der Situation um? Acht Geschichten erzählen aus dem ganz alltäglichen Leben. „Die kleinste Familie der Welt“ von Bernadette Conrad. 16,99 Euro, btb Verlag.
Bindung zum Kind: Übungen für ein gutes Miteinander. „Alleinerziehend, selbstbewusst und stark“ von Matthias Franz. 15,99 Euro, fischer & gann.
Alleinziehende: Tipps und Infos im Internet
Im Internet findet man Tipps für Alleinerziehende und jede Menge Gleichgesinnte:
➜ www.familien-wegweiser.de
➜ www.vamv.de
➜ www.allein-erziehend.net
➜ www.mama-arbeitet.de
➜ www.netmoms.de
➜ www.smart-mama.de
➜ www.mutterseelenalleinerziehend.de