
Sie atmet tief ein. Die Seeluft schmeckt nach Salz, der Wind peitscht ihr um die Ohren. Sie schließt die Augen – und spürt: nichts. Leere. Und zum ersten Mal in ihrem Leben ist sie froh darüber. Daniela erinnert sich gern an ihre Zeit an der Nordsee. Über ein Jahr ist es her, dass sie dort zur Kur war. „Rückblickend kann ich sagen, dass die Kur mich 2015 gerettet hat. Mich und die Familie. Ich war einfach am Ende und konnte nicht mehr. Freiwillig hätte ich das aber wohl nie zugegeben“, erklärt Daniela.
Zwei Kinder, ein Job und eine pflegebedürftige Schwiegermutter
Ihr Teilzeitjob als Verkäuferin, ihre drei Männer David, Tom und Hendrik (43, 7 und 5), der Haushalt und dann auch noch die pflegebedürftige Schwiegermutter, die sie drei Tage die Woche für einige Stunden betreut – Daniela reibt sich im Alltag auf. „Am Anfang war diese Mehrfachbelastung noch kein Problem. David bot mir zwar Hilfe an, aber ich hatte immer das Gefühl, das alleine schaffen zu müssen.“
Nach ein paar Jahren geht es dann mit der Schlaflosigkeit los. Höchstens drei bis vier Stunden die Nacht kann Daniela die Augen zumachen, ein wenig abschalten. „Zu der heftigen Müdigkeit kam dann aber irgendwann noch diese Kraftlosigkeit und Leere.“ Sie hat zu nichts mehr Lust und fühlt sich von den kleinsten Situationen regelrecht überfordert. „Und das wirklich von allem und jedem. Einmal rief mein Jüngster nach mir, aber ich stand nur da und konnte mich nicht bewegen.“
Diagnose: Erschöpfungssyndrom
Seit diesem Tag macht sich Daniela auch noch Vorwürfe. „Schlechte Mutter“, „Versagerin“ – die Flensburgerin findet sich plötzlich in einer Spirale aus negativen Gedanken wieder. „Aber irgendwie habe ich noch immer funktioniert. Bis ich Ende 2014 einfach nichtmehr aufhören konnte, zu heulen. Da hat mein Mann mich zu unserem Hausarzt geschleppt, der mir die Kur verschrieben hat. Diagnose: Erschöpfungssyndrom.“
Daniela möchte eine Mutter-Kind-Kur beantragen, doch eine Bekannte empfiehlt ihr, die dreiwöchige Auszeit alleine zu nehmen. „Ich habe mich mit meinem Mann zusammengesetzt, und wir haben gemeinsam beschlossen, dass ich das ohne die Kinder durchziehen sollte.“ Gesagt, getan. Und? In den drei Wochen an der Nordsee tankt Daniela Kraft. In einer Sitzung mit der Psychologin vor Ort wird klar: So kann es nicht weitergehen.
Zusammen mit David strukturiert sie ihren Alltag um. „Ich habe verstanden, dass ich nicht alles alleine machen muss. Heute teilen wir uns die Aufgaben, und ich nehme mir kleine Auszeiten. Und: Ich bin nicht mehr so perfektionistisch und sehe die Dinge lockerer. Das tut der ganzen Familie gut.“
Tipps und Infos
Experten gehen davon aus, dass jede fünfte Mutter in Deutschland kurbedürftig ist. Welche Regeln bei einem Antrag gelten, und worauf Sie achten sollten:
Wer darf denn überhaupt eine Kur beantragen?
Jede Mutter mit Kindern unter 18 Jahren hat alle vier Jahre einen Anspruch auf eine dreiwöchige Kur. Voraussetzung: Sie wird von einem Arzt „verschrieben“ bzw. die Notwendigkeit dafür wird attestiert.
Wird der Kuraufenthalt als Urlaub gewertet?
Nein. Berufstätigen Müttern werden die drei Wochen nicht vom Urlaub abgezogen. Der Arbeitgeber darf die Kur nicht ablehnen und muss die Frau für diese Zeit freistellen.
Wie stelle ich einen Antrag auf eine Kur?
Es gibt Beratungsstellen wie das Müttergenesungswerk, die Frauen bei der Vorbereitung, der Suche und der Antragstellung helfen (Info: www.muettergenesungswerk.de).
Welche Angebote gibt es für Mütter?
Das Ziel einer Kur ist, dass die Frauen lernen, sich wieder auf sich selbst zu konzentrieren. Sport, Gespräche mit Psychologen, Vorträge – mit den Betreuern wird für jede Mutter vor Ort ein genauer Plan ausgearbeitet.